18.02.2021

Alles möglich

Mit Julia Gerter und Georg Fleischhauer gehen am kommenden Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften zwei Geheimfavoriten auf die Medaillen an den Start.

Lange ist es her, dass Gerter überhaupt an einer Meisterschaft teilgenommen hat. Ihre letzten Deutschen Meisterschaften absolvierte sie in der Freiluftsaison 2018. Bei den nationalen Titelkämpfen in Nürnberg belegte sie den dritten Platz hinter Alexandra Wester (ASV Köln) und Malaika Mihambo (LG Kurpfalz). Die Weite von 6,68 Metern bedeutete damals für sie neue persönliche Bestleistung und die Norm für die Europameisterschaften in Berlin. Ein großer Erfolg für die Athletin von Jürgen Sammert. „Drei Wochen zuvor hätte ich mir niemals vorstellen können, die Norm überhaupt zu erreichen“, so Gerter rückblickend.

Für die Europameisterschaften hatte es damals zwar leider nicht gelangt, da andere Athletinnen ebenfalls die Norm erfüllt hatten, aber Gerter blickt positiv zurück. „Ich habe in der Saison 2018 meine persönlichen Ziele erreicht und war auf dem richtigen Weg.“ Die Ziele waren zu dem Zeitpunkt: Die Weite auf 6,72 Meter steigern, um sich für die WM in Doha zu qualifizieren und die Teilnahme an der Universiade in Neapel, deren Norm (6,60 Meter) sie beim LA Meeting-Anhalt in Dessau mit 6,62 Meter übersprang. Doch die Freude über diesen Satz hielt nicht lange. „Im vierten Versuch wollte ich meine gute Tagesform und die super Stimmung nutzen, um sogar die WM-Norm anzugreifen“, erzählt Gerter. Doch ein Drama folgte. In besagten vierten Sprung verletzte sich die Weitspringerin schwer. Die Diagnose: Achillessehnenriss. Saisonaus. Ein langer Weg zurück.

Das Comeback

Doch die heute 26-Jährige gab nicht auf und kämpfte sich zurück. „Der Weg war nicht einfach, ich musste immer wieder mit kleineren Rückschlägen kämpfen.“ Besonders die durch die Verletzung entstandene muskuläre Dysbalance machte ihr besonders zu schaffen. Aus dieser schweren Zeit nimmt sie viel mit, auch in der Trainingsgestaltung. „Ich habe gelernt, auf meinen Körper zu hören und die Einheiten mit verletzungsvorbeugenden Maßnahmen zu ergänzen.“ Seit Oktober ist sie wieder voll im Training und im November konnte sie die ersten Sprünge durchführen. Seitdem ist sie glücklicherweise verletzungsfrei geblieben und feierte im Rahmen des Frankfurter Wintercups ihr Comeback – mit 6,31 Metern ein toller Einstand. „Nach so langer Zeit wieder im Wettkampfgeschehen dabei zu sein und springen zu können, macht mich einfach glücklich“, so die Studentin.

Für die Deutschen Meisterschaften am kommenden Wochenende möchte sie ihrer Geheimfavoritenrolle auf die Medaillen gerecht werden und vorne angreifen. „Ich weiß, dass ich eine Meisterschaftsspringerin bin und mehr kann als die 6,30 Meter, die ich bisher gezeigt habe. Es wäre schön, wenn ich die anderen etwas ärgern könnte“, gibt sich die Weitspringerin kämpferisch. Von Druck keine Spur – lediglich eine Menge Vorfreude, endlich wieder bei Titelkämpfen dabei zu sein.  

Vom Bob auf die Bahn

Auch Georg Fleischhauer startet mit großer Vorfreude ins Wochenende. Der Bobanschieber misst sich am kommenden Wochenende mit der nationalen Hürden-Konkurrenz. Es ist nicht das erste Mal, dass Fleischhauer während seiner Zeit als Anschieber von der Bob- auf die Leichtathletik-Bahn zurückkehrt. Bereits im vergangenen Sommer stellte sich der ehemalige 400-Meter-Hürdenläufer der Kurzhürde und das äußerst erfolgreich. Über die 110-Meter wurde er bei den Deutschen Meisterschaften in Braunschweig Dritter. „Mal kurz eine Medaille mitgenommen“, schrieb er damals auf seinen Social Media-Kanälen – natürlich mit einem kleinen Augenzwinkern.

Auch der Bobsport als Wintersportart kennt im Sommer keine Pause und so bringen ihm die vielen Trainingseinheiten mit den Kollegen immens viel, auch für die Leichtathletik. Beispielsweise trainierte er mit dem Team Friedrich, das am vergangenen Wochenende in Altenberg die Weltmeisterschaft im Vierer- und Zweierbob für sich entscheiden konnte. „Ich habe viel mitgenommen und von den Besten zu lernen ist ja eigentlich immer ganz gut“, berichtet Fleischhauer lachend. Die Bob-WM war für den Eintracht-Oldie eigentlich das Ziel, doch eine Sehnenverletzung Ende Oktober machte ihm einen Strich durch die Rechnung. Kein Platz im Team, kein Weltcup, keine Weltmeisterschaft. Den Kopf in den Sand stecken? Keinesfalls.

Und so kam Fleischhauer doch häufiger auf Tartan statt auf Eis zum Zuge. „Ich brauche die Wettkämpfe aktuell, um die Belastungsverträglichkeit zu erreichen und die Schnelligkeit wieder zu entwickeln, aber auch um das Wettkampffeeling zu spüren“, erklärt der 32-Jährige. Die Schnelligkeit zu entwickeln gelingt ihm bisher gut, wie er mit 6,92 Sekunden über 60 Meter bereits bewies. Auch seine zehn Jahre alte Bestleistung über die Hürden ist in greifbarer Nähe. Beim Wettkampf in Luxemburg benötigte Fleischhauer 7,90 Sekunden und verpasste seine eigene Bestmarke nur um eine Tausendstel. Für ihn liegt der Ursprung dieser Erfolge besonders im Training mit Coach Falk Balzer: „Das ganze Training, das ich vor gut zwei Jahren begonnen habe, fängt jetzt an richtig zu greifen, aber auch die Bobeinheiten haben sicherlich zu dieser Entwicklung beigetragen – es ergänzt sich einfach gut.“

Live dabei sein

Zufrieden ist der erfahrene Athlet aber bisher nicht und es soll definitiv noch schneller werden. Bei der Deutschen Meisterschaft vielleicht? Wenn’s nach Fleischhauer geht gerne. „Ich möchte mich für die Europameisterschaft qualifizieren und gewinnen, so einfach ist das“, lobt er das deutliche Ziel aus. Für den ehemaligen 400-Meter-Hürden-Spezialist wäre es die erste Medaille über die kurze Distanz und der erste Titel nach neun Jahren. Seinen letzten gewann Fleischhauer in Wattenscheid 2012. Damals über seine Paradedisziplin, die 400-Meter-Hürden. Nun heißt es aber volle Konzentration auf das Wochenende, denn das entscheidet auch über den weiteren Saisonverlauf für den Adlerträger.

Ob Gerter oder Fleischhauer die Rolle der Geheimfavoriten erfüllen und eine Medaille gewinnen können, können Interessierte am Samstagabend (ab 17 Uhr / Fleischhauer) und Sonntagnachmittag (ab 14.30 Uhr / Gerter) verfolgen.