13.10.2021

„Durch Motivationslöcher durchgekämpft“

Seit nunmehr zehn Jahren betreibt Maira Gauges Leichtathletik. Eine vergleichbare Saison wie die diesjährige hat die Frankfurterin in ihrer Zeit allerdings noch nie erlebt.

Begonnen hat alles beim TV Weißkirchen. Über das Turnen gelang die junge Frankfurterin zu ihrer Herzenssportart. „Ich habe als Kind an Mehrkämpfen gemischt aus Turnen und Leichtathletik teilgenommen“, erinnert sich die mittlerweile 21-Jährige. Bei einem dieser Wettkämpfe wurde ein Trainer auf die damals Elfjährige aufmerksam. „Ich habe zu dem Zeitpunkt schon damit geliebäugelt, mich ausschließlich auf die Leichtathletik zu konzentrieren, und als die Anfrage kam, habe ich zugestimmt“, erzählt sie.

Nach vier Jahren beim TV Weißkirchen zog es sie dann 2015 zur damals noch LG Eintracht Frankfurt, und das obwohl sie zunächst gar nicht wechseln wollte. „Ich war zu dieser Zeit immer jemand, der nach dem Motto lebte, hier bin ich und hier bleib ich. Ich hatte mich eigentlich sehr wohlgefühlt“, erzählt Maira rückblickend. Doch besonders der Kontakt zu ihrer heutigen Trainerin Petra Schenten, die bei der Eintracht den Mehrkampf der Junirinnen betreut, überzeugte sie. „Die Trainer meines alten Vereins konnten mich damals bei einem Wettkampf nicht betreuen und meine gute Freundin Charly stand vor dem Wechsel zu Petra Schenten zur Eintracht. Petra war bei besagtem Wettkampf dann für mich zuständig und das war der Beginn einer unglaublich schönen Beziehung“, lächelt sie und ist Petra sehr dankbar.

Titel für Gauges und Staffel-Team

Bis heute hat das Duo Schenten und Gauges Bestand und gemeinsam einiges erlebt. „Ich fühle mich unglaublich wohl mit Petra an meiner Seite und ich kann mir meine Leichtathletik-Laufbahn nicht ohne sie vorstellen.“ Nicht vorstellbar wäre auch die Leistungsentwicklung der 21-Jährigen gewesen. Mit 12,04 Sekunden über die 100 Meter gehört sie zu den besten Mehrkämpferinnen über die Sprintdistanz in ihrer Altersklasse. Mit der 4x100-Meter-Staffel der Juniorinnen konnte Maira im Jahr 2019 bislang ihren nominell größten Erfolg feiern. Bei den Deutschen Meisterschaften der unter 23-Jährigen holte sie mit ihren Vereinskolleginnen Charlize Boykin, Saskia Lindner und Miriam Sinnig den Staffel-Titel sensationell nach Frankfurt.

Das war mein bislang schönster Moment. Die Belohnung für die harte Arbeit gemeinsam mit Sofie und meiner Trainerin Petra zu bejubeln und zu feiern war unbeschreiblich. Beim Gedanken daran bekomme ich heute noch Gänsehaut.

Maira Gauges

Mairas schönster Moment in ihrer noch jungen Karriere ist dennoch ein anderer und unterstreicht ihre enge Verbindung zu ihrer Trainerin und ihrem Team, die sie täglich im Training begleiten. Gemeinsam mit ihrer engen Freundin und Trainingskollegin Sofie Reitbauer startete Maira 2019 beim Mehrkampfmeeting in Bernhausen. „Wir hatten in der Saison als Gruppe unheimlich hart trainiert und uns lange auf die Wettkämpfe vorbereitet.“ Eine Investition, die sich lohnen sollte. „In Bernhausen fühlte ich mich dann so gut wie noch nie zuvor und konnte auch am zweiten Tag des Siebenkampfs noch fit an den Start gehen.“ In der letzten Disziplin folgte damals die Krönung ihres ohnehin sehr guten Mehrkampfs. „Sofie war vor meinem Finallauf bereits die 800 Meter gerannt und sagte völlig erschöpft vor dem Start noch zu mir, dass sie an mich glaube und ich das auch tun solle.“ Maira konnte anschließend im Finallauf ihre Bestleistung über die 800 Meter um mehr als sechs Sekunden steigern. „Das war mein bislang schönster Moment. Die Belohnung für die harte Arbeit gemeinsam mit Sofie und meiner Trainerin Petra zu bejubeln und zu feiern war unbeschreiblich. Beim Gedanken daran bekomme ich heute noch Gänsehaut“, erzählt sie.

Pandamie wird zur Herausforderung

Nach ihrer gelungenen Freiluftsaison im Jahr 2019 stand die Eintrachtlerin kurz davor, den nächsten Schritt zu machen, doch verschiedene Faktoren erschwerten ihr den Weg in Richtung der Deutschen Spitze. „Zum einen hatte ich im Frühjahr 2020 mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und zum anderen war an normales Training aufgrund der Corona-Pandemie nicht zu denken“, erzählt sie. Keine einfache Phase für Maira. „In der Zeit fiel es mir schwer, die Motivation hochzuhalten, da mir zum einen die Gruppe und der damit verbundenen Spaß fehlten, aber auch eine Perspektive, wofür man sich eigentlich zurückkämpft“, erzählt sie rückblickend. Die „Late Season“ im letzten Jahr absolvierte Maira zwar noch, doch im Winter folgte dann erneut die Ernüchterung.

Da Maira nicht dem Landeskader angehörte, durfte sie erneut nicht am normalen Trainingsbetrieb teilnehmen. Von Oktober 2019 bis zum Mai dieses Jahres musste sie daher Alternativen finden, um sich trotz aller Widrigkeiten auf potenzielle Wettkämpfe vorzubereiten und um sich weiter zu steigern. Eine Phase, in der die Unterstützung durch ihre Trainerin Petra Schenten eine sehr wichtige Rolle spielte. „Ich bin unglaublich dankbar, dass sich Petra so sehr engagiert und uns mit Trainingsplänen ausgestattet hat. So hatten wir eine Anleitung, die uns gezeigt hat, wie es möglich sein könnte, sich trotz der Umstände zu verbessern.“ Gemeinsam mit einer ihrer Mitbewohnerinnen absolvierte Maira alle Pläne und trainierte die vollen acht Monate durch. „Selbst an den kältesten Wintertagen standen wir gemeinsam irgendwo im Wald oder an der Straße und haben versucht, die Trainingspläne umzusetzen.“ Dennoch gab es auch Momente, in denen es schwer war.“ Ich habe auch häufiger mal den Gedanken gehabt, dass ich einfach keine Lust mehr habe. Ich musste mich dann durch diese Motivationslöcher durchkämpfen.“ Ein Kampf, der sich lohnen sollte.

Beim Fly - up and far Meeting der Eintracht stand Maira, ohne vorher auch nur ein normales Training absolviert zu haben, dann erstmals wieder auf der Tartanbahn. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich mich für einen Wettkampf weder mental noch körperlich wirklich fit und bereit gefühlt, doch ich wollte mir die Chance nicht entgehen lassen, zu schauen, wie sich meine Leistung entwickelt hatte, und außerdem dem nachzukommen, was ich liebe.“ Neben Maira startete an diesem Tag unter anderem die Vize-Weltmeisterin von 2017 und ebenfalls Adlerträgerin, Carolin Schäfer. „Ich habe erst am Wettkampftag mitbekommen, wer gemeinsam mit mir im Vierkampf an den Start gehen sollte. Da habe ich dann, gelinde gesagt, ein bisschen weiche Knie bekommen“, lacht sie.

Nach dem Hürdenlauf, der ersten Disziplin des geplanten Vierkampfs, reibte sich so manch einer verwundert ob der Leistung von Maira die Augen. Nach der langen Zeit und ohne geregeltes Training über den Zeitraum von acht Monaten lief sie in ihrem ersten Lauf sofort Bestleistung. „Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet und war überglücklich. Nach dem Hürdenlauf hätte an dem Tag kommen können, was wolle, und ich hätte immer noch gestrahlt wie ein Honigkuchenpferd.“ Am Ende des Tages konnte Maira in allen vier Disziplinen des Vierkampfs (100 Meter Hürden, Weitsprung, Kugelstoßen, 150 Meter) eine neue persönliche Bestleistung aufstellen. „Ich habe im ersten Moment überhaupt nicht realisiert, was passiert war“, lacht sie.

Über den großen Teich

Seit dem Wettkampf hat sich die Pandemie-Situation immer weiter gelockert und Maira ist zurück im Training mit ihren Trainingskolleginnen und engsten Freundinnen. „Ich freue mich sehr, dass wir wieder zurück zur Normalität gefunden haben und ich meinen Herzenssport nicht mehr alleine ausüben muss, sondern Trainings- und Wettkampferfolge gemeinsam mit den Mädels und meiner Trainerin erleben und bejubeln kann.“ Im Herbst dieses Jahres zieht es Maira dann in die USA. Dort kann sie dank eines Sportstipendiums sich noch intensiver neben ihrem Studium „Maschinenbau“ auf die Leichtathletik konzentrieren. Die Eintracht wird sie dennoch nicht verlassen. „Ich bleibe ja nicht ewig in den USA und habe hier in Frankfurt und bei der Eintracht die Menschen kennengelernt, die mich mein Leben lang geprägt und begleitet haben. Die Eintracht und Frankfurt werden daher immer mein Zuhause bleiben.“