21.07.2021

Immer weiter Richtung Olympia

Vom Ballett über den Straßenlauf nach Tokio: Marathonläuferin Katharina Steinruck steht vor ihrer ersten Teilnahme an Olympischen Spielen. Und erfüllt sich damit einen Kindheitstraum.

Steinruck ist waschechte Hessin und wuchs im Odenwald auf. Die Eintrachtlerin tanzte dort zunächst viele Jahre leidenschaftlich, ehe sie ihr läuferisches Talent entdeckte. „Bei uns auf dem Land war es einfach üblich, dass man sich im Kindesalter dem Tanzen widmete“, erinnert sie sich zurück. Durch einen Schulfreund wurde sie in der vierten Klasse auf die Leichtathletik aufmerksam und blieb dem Sport fortan treu. „Gleichzeitig war es üblich, dass fast alle Kinder in Sportvereinen waren und so bin ich mit einem Schulkameraden mal mit zum Leichtathletik-Training. Das hat mir damals schon extrem viel Spaß gemacht und deswegen bin ich dann dort auch geblieben“, erzählt Steinruck.

Immer weiter

Zunächst durchlief die heutige Marathonläuferin die klassische Leichtathletik-Ausbildung und trat im Kindesalter in allen Disziplinen an. „Ich habe damals alles gemacht – außer Hammerwurf“, berichtet sie lachend. Ihr Talent für die längeren Laufstrecken ließ sie dabei schon früh aufblitzen. „In den Laufdisziplinen war ich von Beginn an immer gut. Es gab auch in den Dörfern fast jedes Wochenende Laufwettbewerbe oder Bambiniläufe, bei denen ich oft gewinnen konnte.“ Die Entwicklung bis hin zum Marathon dauerte allerdings. „Zunächst wollte ich als Kind unbedingt in den E-Kader. Das hatte ich irgendwann geschafft und habe fortan auch immer mal Mittelstrecke ausprobiert.“ Durch zwei Trainingskolleginnen startete Steinruck erstmalig über fünf Kilometer. „Wir hatten zwei Triathletinnen in der Gruppe, die mich dann überredeten mal fünf Kilometer zu laufen. Das kam mir aber damals ganz schön weit vor, sodass ich dachte ‚Uff, wieso tut man sich sowas an?‘“, erzählt sie lachend.

Steinruck erzielte ein sehr gutes Ergebnis und widmete sich fortan immer längeren Strecken, entdeckte die Langstrecke für sich und wechselte von der Bahn auf die Straße. „In den jungen Jahren meiner professionellen Karriere war ich zwar auch noch ab und zu auf der Bahn unterwegs, aber ich merkte auch, dass mir die Rennen auf der Straße mehr lagen. Außerdem war ich durch damalige Verletzungen immer wieder gezwungen extrem ausdauerndes Training zu machen, sodass wir irgendwann gesagt haben: Lass es uns mit dem Straßenlauf einfach mal probieren und dann war es geschehen!“

Der Beginn einer erfolgreichen Karriere

Seit 2007 gehört Steinruck nun schon der Eintracht-Familie an. Die Entscheidung nach Frankfurt zu wechseln war damals auch eine Entscheidung für den Sport. „Ich bin zu diesem Zeitpunkt in Frankfurt auf das Sportinternat gegangen und habe so langsam mein Leben danach ausgerichtet“, erklärt sie rückblickend. „Die Eintracht bot mir dabei das optimale Team und Umfeld, um den nachzukommen, was ich machen wollte.“ Im Jahre 2010 ging Steinruck erstmals auf der Marathon-Distanz mit dem Adler auf der Brust an den Start. Ein Moment, an den sie sich nicht ganz genau erinnern kann: „Ich wollte damals schon unbedingt zu Olympia und die einzige Möglichkeit im Straßenlauf zu Olympia zu kommen, war der Marathon. Als ich an der Startlinie stand, wusste ich auch nicht mehr so ganz genau, wie ich auf die Idee gekommen war“, lacht sie. Im Ziel sollte sich diese Stimmungslage nicht ändern. „Ich habe mir nach meinen ersten Marathonerlebnissen immer wieder gesagt: ‚Das war’s, nie wieder!‘ und irgendwie stand ich dann Monate später wieder irgendwo an der Startlinie“, scherzt sie.

Der Ehrgeiz und das Durchhaltevermögen sollten belohnt werden. Steinruck entwickelte sich über die Jahre zu einer der besten Marathonläuferinnen Deutschlands und konnte nach und nach immer größere Erfolge feiern. 2017 nahm sie an der Weltmeisterschaft in London teil und konnte im gleichen Jahr überraschend Deutsche Meisterin werden. Sich auf den einen schönsten Moment festlegen möchte sie sich nicht. „Es gibt viele Momente in meiner Karriere, die unglaublich schön waren. Insbesondere 2016 konnte ich beim Berlin Marathon erstmals zufrieden mit dem Marathonlaufen sein und meine Bestzeit auch deutlich steigern. Das hat sich damals angefühlt wie der Durchbruch. Aber natürlich auch die Deutsche Meisterschaft 2017, der Osaka Women’s Marathon 2020 oder Enschede in diesem Jahr sind Stationen, die mich immer wieder strahlen lassen, wenn ich dran denken muss“, erzählt sie.

Als dann die offizielle Nominierung kam und ich es schwarz auf weiß vor mir sehen konnte, kamen mir die Tränen.

Katharina Steinruck

In Enschede konnte die Frankfurterin erstmalig einen großen internationalen Marathon gewinnen und stand gemeinsam mit Eliud Kipchoge, dem Weltrekordhalter im Marathon der Männer und einzige Mensch, der je unter zwei Stunden bleiben konnte, auf dem Siegerpodest. Der Sieg war außerdem gleichbedeutend mit der Olympiaqualifikation – die  Erfüllung eines lang ersehnten Traums. „Ich konnte nach dem Rennen kaum begreifen, dass ich bei Olympia dabei sein werde. Als dann die offizielle Nominierung kam und ich es schwarz auf weiß vor mir sehen konnte, kamen mir die Tränen.“ Jetzt als Olympionikin bezeichnet zu werden ist für die Frankfurterin dennoch keineswegs eine Veränderung. „Ich erfülle mir mit Tokio einen Traum, den ich schon immer hatte. Aber Olympionikin zu sein heißt nicht, dass ich etwas besseres bin als andere Athleten. Ich erfülle mir meinen eigenen Traum und Olympioniken bin auch erst dann, wenn ich die Ziellinie in Sapporo überquert habe.“