18.12.2020

In die Weltspitze gelaufen

800-Meter-Spezialist Marc Reuther spricht über seine vergangene Saison und blickt auf die Olympia-Saison 2021.

Marc, 2020 war ja trotz Corona dein Jahr. Du bist Bestleistung gelaufen, konntest dich in der Weltspitze festsetzten. Sowohl in der Halle als auch im Sommer. Wie kommt es denn zu so einer Leistungssteigerung in so einem schwierigen Jahr?

Ich denke, dass es für mich wichtig war, noch einmal das Umfeld zu wechseln. Ich bin jetzt in einer Trainingsgruppe in Leipzig, habe neue Strukturen, einen neuen Trainer und neue Trainingspartner. Das setzt noch einmal andere Kräfte frei. Dementsprechend gehe ich davon aus, dass diese neuen Reize eine Rolle gespielt haben und stellt den Kern der Leistungssteigerung dar. Außerdem habe ich mich intensiver mit dem Thema Sportpsychologie auseinandergesetzt und daran gearbeitet. Ich hatte grundsätzlich Spaß am Wettkampf und die Veränderung hat auch eine gewisse Lockerheit freigesetzt, sodass ich auch zeigen konnte, was in mir steckt.

Psyche spielt ja auch in Zeiten wie jetzt eine große Rolle. Wie schaffst du es, dich auf das nächste Jahr zu konzentrieren und dich zu motivieren?

Es ist natürlich super schwierig für alle. Egal ob Profi oder Freizeitsportler. Wenn die Ziele unbekannt sind, ist es schwer sich weiter zu motivieren. Auch, weil man nicht genau weiß, für was man das gerade tut, wenn die Ziele fehlen. Ich habe für mich persönlich einfach entschieden, dass ich unabhängig von den Umständen und der Planbarkeit von Wettkämpfen ein besserer Athlet werden möchte und immer meine beste Leistung bringen möchte. Dementsprechend gebe ich auch jeden Tag alles, um neue Bestzeiten aufzustellen, um Tag für Tag und Jahr für Jahr besser zu werden. Das zahlt sich am Ende sicherlich auch aus, wenn Wettkämpfe oder sogar Olympia stattfinden sollten. Ich bleibe einfach am Ball und glaube, dass es das Wichtigste ist, sich auch Ziele fernab von Wettkampfteilnahmen zu setzen.

Du sagst es, Olympia steht nächstes Jahr an. Macht eine Olympiade auch ohne Zuschauer und den Trubel drum herum denselben Reiz aus?

Es ist schon schwierig und natürlich schade. Wobei ich sagen muss, dass beispielsweise die deutschen Meisterschaften ohne Zuschauer gar kein Problem waren. Dort ist es mir persönlich gar nicht so aufgefallen, weil ich so konzentriert war, um einfach mein Ding durchzuziehen. Allgemein ist es aber natürlich unvorstellbar, Olympische Spiele ohne Zuschauer zu haben, weil es von diesem Spirit lebt. Ich muss aber zugeben, dass es mir lieber wäre, dass Olympia überhaupt stattfindet und ich dabei sein könnte. Auch wenn die Spiele dann ohne Zuschauer stattfinden würden. Das letzte Mal habe ich sie knapp verpasst und wäre dankbar, wenn ich es dieses Mal schaffen würde.

Abschließend: Was war denn dein schönster Moment im Jahr 2020? Der Sieg beim PSD Bank Meeting in der Halle oder doch Monaco, wo du die Marke von 1:45 Minuten geknackt hast?

Klar war es super zu sehen, dass ich ein Teil der Weltspitze sein kann. Das war schon ein besonderer Moment in Monaco. Aber auch in Erfurt, als ich 1:45 Minuten gerannt bin und in Düsseldorf die Zeit bestätigen konnte und wusste, dass das kein einmaliger Ausreißer nach oben war, sondern ich auf konstantem Niveau laufen kann. Es war ein unbeschreibliches Gefühl, vorne mitzurennen und zu wissen, dass man auch große Wettkämpfe gewinnen kann. Ich habe jetzt einfach das Selbstbewusstsein, kenne meine Leistungsfähigkeit und ich denke, dass ist das Wichtigste. Dass es „Klick“ gemacht hat, ist wohl mein Moment 2020.